Programm
Claudio Monteverdi (1567-1643)
Jani Oswald (*1957)
Rudolf Hinterdorfer (*1947)
Jani Oswald
Fritz Keil (*1957)
Jani Oswald
Michael Nowak (*1967)
Jani Oswald
Günter Mattitsch (*1947)
Jani Oswald
Claudio Monteverdi
Sestina (Text: Scipione Agnelli)
Lagrime d'amante al sepolcro dell'amata
I Incenerite spoglie
II Ditelo voi
III Darà la notte il sol
IV Ma te raccoglie
V O chiome d'or
VI Dunque amate reliquie
5 Variationen zu Lacrime d'amante von Scipione Agnelli I
Abend (Text: Alois Hergout)
5 Variationen zu Lacrime d'amante von Scipione Agnelli II
9 Haikus nach H.C.Artmann
5 Variationen zu Lacrime d'amante von Scipione Agnelli III
Sestina at 3 a.m.
5 Variationen zu Lacrime d'amante von Scipione Agnelli IV
Poi si tornò (Text: Dante Alighieri)
5 Variationen zu Lacrime d'amante von Scipione Agnelli V
Dunque amate reliquie
Anlass für das Programm „Lacrime d'amante“ war der 450.Geburtstag von Claudio Monteverdi
(1567-1643), einem Komponisten, dessen Werk die Arbeit des Ensembles Hortus Musicus seit
seiner Gründung 1972 begleitete.
Wie unterschiedlich die musikalischen Reflexion der komponierenden Zeitgenossen ausgefallen
sind, bringt der heutige Abend zu Gehör. Den Bezug zum Ausgangswerk Sestina formulieren die
Komponisten selbst.
Den Notenschreibern wurde der Textschreiber Jani Oswald (60) zur Seite gestellt, der als
Sprachverrücker und Dekonstrukteur den Text von Agnelli einer Rund(um)erneuerung unterzieht.
Rudolf Hinterdorfer: Abend Text: Alois Hergouth
Alois Hergouth hat dieses und viele wunderbare Gedichte auf seinem „Süßen (Wein)Berg“ (Sladka
gora - Slowenien) - natur-, menschen- oder einfach umgebungsinspiriert - zu Papier gebracht.
Viele davon kann man bis ins „Universum hinein“ weiterdenken – erinnere ich mich an nächtelange
Gespräche mit dem Dichter (1925-2002). Mit „ABEND“ lässt sich also, auf den Abschied
hingedacht, leicht eine Brücke zu Monteverdis SESTINA bauen: wer kennt nicht die Gedanken an
das „altalte Mondwort“, oder an die „äußersten Fluten des Schlafes“, oder die Trauer um einen
geliebten Menschen?
Fritz Keil: 9 Haikus nach H.C. Artmann Text: H.C. Artmann
Die Auswahl der Texte sind das Ergebnis meiner Recherche nach Vergänglichkeit,
Sehnsucht und Zartheit des Jetzt.
Die Musik ist eingebunden in eine kompositorische Struktur, die möglichst nahe
am Geschriebenen stehen soll. Dieser Wort-Klang-Balance ist das Werk verpflichtet, für welche die
(um 1600 komponierten) Werke des Meister Claudio noch immer Vorgabe sind.
Michael Nowak : Sestina at 3 a.m.
Der Text von Sestina at 3 a.m. schildert trübsinnige, düstere
Stimmungen, geprägt von Verlust und Todessehnsucht in die literarischen
Form einer Sestine. Diese Gedichtform ist gekennzeichnet durch einen sechsteiligen Aufbau und
eine spezielle Reimstruktur.
Die Vertonung von Sestina at 3 a.m. erfolgte in Anlehnung an die berühmte Komposition von
Claudio Monteverdi. An Stelle von Zitaten aus der Original-komposition wurden jedoch
„nachgemalte“ Melodien und Stimmungen eingebaut. Dadurch wird einerseits ein Dialog zu
Monteverdis Vertonung aufgenommen, andererseits bleibt Raum für moderne Ausdrucksmittel.
Sestina at 3 a.m. ist größtenteils in der Ganztonskala komponiert. Die Melodien, die sich durch die
konsequente Verwendung der Skala ergeben, zeigen, obwohl sie an manchen Stellen die
Originalkomposition imitieren, einen fremden, exotischen Charakter. Aus der Skala entstehende
Zusammenklänge geben die Schwermütigkeit der Lyrik wieder. Einzelne Abschnitte der
Komposition sind mit kurzen musikalischen Gedanken, so genannten Patterns, gestaltet, die
wiederholt und weiterentwickelt werden. Der überraschende Schluss lässt wieder die Verbindung
zu Monteverdi erkennen.
Günter Mattitsch: Poi si tornò Text: Dante Alighieri
Beatrices Lächeln ist für Dante eine allerletzte Möglichkeit, sich seiner Beziehung zu jener
begehrten und geliebten Frau, die ihm Seelenbegleiterin auf seinem Weg durch die Sphären des
Lebens und deren Wirklichkeiten war, bewusst zu werden. Dankbar erinnert er sich ihrer
selbstlosen Bereitschaft, ihn entlang der konzentrischen Kreise der unermesslichen Rose des
Paradiso zu führen, um seinen Weg - zu sich selbst wohl, zu seinem wahren Wesen - zu behüten.
Doch nun, der Platz an seiner Seite ist plötzlich verlassen, taucht ein ehrwürdiger Greis auf und
weist auf die - für ihn letztlich immer schon - Unerreichbare hin, die an der Grenze der
allerhöchsten Rose, umgeben von einer Aureole, steht. Beatrice dreht sich vor ihrem letzten
erlösenden Schritt ins göttliche Empyreum zu ihm um und schenkt ihm ihr Lächeln, bevor sie sich
zur ewigen Quelle hin wendet und die raum-zeitliche Sphäre verlässt.
Dante bleibt zeitlebens ein Mann und Künstler, der aus der unerfüllten Sehnsucht nach der
Angebeteten, seiner Muse, Inspiration für sein epochales Werk, seine Divina Commedia, erfährt.
Für die europäische Literatur- und Geistesgeschichte ist die monumentale Vision der Göttlichen
Komödie von höchster Bedeutung, hebt sie doch das Bild von Unerfülltheit und Vergeblichkeit in
eine Dimension, in der schmerzhafte irdische Erfahrung in wertschätzende Dankbarkeit
transformiert werden kann. Der Blick auf die ewige Quelle des Seins öffnet sich und erlöst irdisch-
raumzeitliche Bedingtheit. Poi si tornò greift das Sestina-Thema formal als 6-teiliger Zyklus mit
jeweils 21 Takten auf, um uns an jene mögliche Wende zur ewigen Quelle des Lebens hin zu
erinnern.