HORTUS MUSICUS
Christa Mäurer
Waltraud Russegger
Michael Nowak
Günter Mattitsch
Dietmar Pickl
Programm
Cipriano de Rore
(1515-1565)
Claudio Monteverdi
(1567-1643)
Da pacem Domine
Padre del ciel
O morte, eterno fin
Anchor che col partire
Vous scavez bien
Amour ne faict
Mia benigna fortuna
Se ben il duol
Sestina
Lagrime d’ amante al sepolcro dell’ amata
Der Abend bringt geistliche Motetten und weltliche Madrigale von Cipriano de Rore (1515-1565). Der franko-flämische Meister war Schüler von Willaert in Venedig, wo er Sänger in San Marco war, wurde dann Kapellmeister am Hof Herzog Ercoles II. in Ferrara und schließlich Hofkapellmeister in Parma. Nach dem Tod Willaerts wurde de Rore dessen Nachfolger als Kapellmeister in San Marco in Venedig, das er jedoch nach einem Jahr wieder verließ, um nach Parma zurückzukehren, wo er ein Jahr später starb und dort auch begraben wurde.
Im Gegensatz zu Willaert liegt der Hauptteil seiner Kompositionen auf dem Gebiet des Madrigals. Ein Viertel seiner Madrigaltexte stammen vom Canzoniere Petrarcas. Die intensive musikalische Gestaltung und Ausdeutung der Textstellen gelingt durch verstärkten Einsatz von Chromatik, gehäufte Verwendung von Vorhaltsdissonanzen und den Gebrauch „verbotener Intervalle“. Claudio Monteverdi hat zur Begründung seiner „Seconda prattica“, in der das Wort die Herrin über die Musik ist und nicht ihre Dienerin, de Rore als Vorbild angeführt.
Claudio Monteverdi (1567-1643) schrieb die „Sestina“ anlässlich des frühen Todes der jungen römischen Sängerin Caterinuccia Martinelli. Diese kam als 13-jährige Schülerin zu Monteverdi und starb 5 Jahre später 18-jährig. Diesen tragischen Tod besingt Monteverdi in seinem sechsteiligen Madrigal mit dem Titel: "Tränen des Liebenden am Grab der Geliebten".
Texte
Da pacem Domine
in diebus nostris:
quia non est alius
qui pugnet pro nobis,
nisi tu Deus noster.
Gib uns Frieden, Herr
in unseren Zeiten:
kein anderer könnte für uns streiten,
als Du, unser Gott allein.
Padre del ciel
Padre del ciel, dopo i perduti giorni,
dopo le notti vaneggiando spese
con quel fiero desio ch’ al cor s’ accese
mirando gli atti per mio mal sì adorni,
piacciati homai, col Tuo lume, ch’ io torni
ad altra vita e a più belle imprese,
sì ch’ avendo le reti indarno tese,
il mio duro adversario se ne scorni.
Hor volge, Signor mio, l’ undecimo anno
ch’ i fui sommesso al dispietato giogo
che sopra i più soggetti è più feroce:
Miserere del mio non degno affanno;
Reduci i pensier‘ vaghi a miglior luogo:
ramenta lor com’ hoggi fosti in croce.
Vater im Himmel
Vater im Himmel, nach den verlorenen Tagen,
nach den phantasierend vergeudeten Nächten
mit jenem stolzen Begehren, das im Herzen entbrannt,
den Blick auf die zu meinem Unglück so lieblichen Handlungen,
möge es Dir jetzt gefallen, mit Deiner Erleuchtung, dass ich mich
einem anderen Leben und schöneren Unternehmungen zuwende,
so dass mein harter Gegner die Netze vergebens gespannt hat
und sein Plan misslingt.
Es ist nun, mein Herr und Gott, das elfte Jahr,
seit ich ins erbarmungslose Joch gespannt wurde,
das auf die Unterwürfigsten am grausamsten drückt:
Erbarme Dich! meines würdelosen Kummers;
führe die verworrenen Gedanken an einen besseren Platz zurück:
erinnere sie daran, wie Du am heutigen Tag einst auf dem Kreuz gehangen!
O morte, eterno fin
O morte, eterno fin di tutt’ i mali,
riposo delle membra e della mente,
utile e necessaria a gl’animali
più che la vita assai chi pon ben mente,
porto de‘ ciechi e miseri mortali
ch’ errando van da l’orto a l’occidente:
Tu prigion spezzi e rompi aspre catene
e metti fine a l’amorose pene.
O Tod, ewiges Ende
O Tod, ewiges Ende aller Übel,
Ruhestätte der Glieder und des Geistes,
nützlich und notwendig für die Lebewesen
weit mehr als das Leben, wenn man es genau betrachtet;
Hafen der blinden und armseligen Sterblichen,
die vom Aufgang bis zum Untergang umherirren:
Du sprengst Gefängnisse und zerreißt strenge Ketten,
und den Liebesqualen bereitest Du ein Ende.
O sonno
O sonno, o della queta, umida, ombrosa
notte placido figlio, o de‘ mortali
egri conforto, oblio dolce de‘ mali
si gravi, ond’ è la vita aspra e noiosa;
soccorri al cor omai che langu’ e posa
non have, e queste membra stanch’ e frali
solleva! A me t’ envola, o sonno, e l’ali
tue brune sovra di me stendi e posa!
Ov’ è ’l silenzio, che ’l dì fugge e ’l lume?
E i lievi sogni, che con non sicure
vestigia di seguirti han per costume?
Lasso ch’ invan ti chiamo, e queste oscur’ e
gelide ombre invan lusingo: O piume
d’ asprezza colme! O notti acerb’ e dure.
O Schlaf
O Schlaf, der friedlichen, schattig feuchten
Nacht sanfter Sohn, o der schwachen
Sterblichen Stärkung, süßes Vergessen der so schweren
Leiden, durch die das Leben bitter wird und zur Last;
steh jetzt dem Herzen bei, das schmachtet und zur Ruhe
nicht kommt, und stärke diese matten und gebrechlichen
Glieder! Komm zu mir geflogen, o Schlaf, und breite Deine
braunen Flügel über mich aus!
Wo ist die Stille, die der Tag flieht und das Licht?
Und die leichten Träume, die sonst immer
mit nicht verlässlichen Spuren Dir folgen?
Ach, vergebens rufe ich nach Dir, und vergebens locke ich
diese dunklen und frostigen Schatten:
O allzu raue Daunen! O bitterharte Nächte!
Anchor che col partire
Anchor che col partire
io mi senta morire,
partire vorrei ogn’hor,
ogni momento:
tant’è il piacer ch’io sento
de la vita ch’acquisto nel ritorno.
E così mill’e mille volt’il giorno
partir da voi vorrei:
tanto son dolci gli ritorni miei.
Auch wenn mir beim Weggehen
Auch wenn mir beim Weggehen
zum Sterben zumute ist,
möchte ich zu jeder Stunde,
jeden Augenblick weggehen:
sosehr freut mich das Leben
beim Zurückkommen.
Und so möchte ich abertausende Male am Tag
von Euch weggehen:
so süß ist mir jedes Mal das Zurückkommen.
Vous scavez bien
Vous scavez bien, madame souveraine,
que douleur est d’attendr’et de languir.
Si pesant fait ne puis plus soustenir:
Secourez moy, belle de pitié plaine!
Ihr wisst wohl
Ihr wisst wohl, meine allerhöchste Dame,
dass Warten und Schmachten ein Schmerz ist.
Eine so bedrückende Lage ertrage ich nicht mehr:
Helft mir, mitleidvoll Schöne!
Amour ne faict
Amour ne faict que tourmenter mon ame
d’un feu qui l’ard et point incessament.
Mais moins que riens j’estime ce tourment,
puisque m’amye aussy sent quelque flame.
Amour m’a faict serviteur d’une dame,
laquell’en grey tout mon service prent,
dont je serois pour l’obeir content
passer au fil d’une tranchante lame.
Amour ne veut user avecque moy Rigueur aucune
et pour autant je croy qu’elle bien tost aura de moy pitye.
Mercy doncques, mercy, ma damoyselle,
de mon grand mal et de la playe mortelle
qui presqu’a moy non plus qu’a vous ennye.
Amor bereitet nur
Amor bereitet meinem Gemüt nur Qualen
mit einem Feuer, das es entflammt und sich unaufhörlich ausbreitet.
Aber ich beachte gar nicht diese Qual,
spürt doch auch meine Liebste manche Flamme.
Amor hat mich zum Diener einer Dame gemacht,
die alle meine Dienste huldvoll hinnimmt,
für die ich, um ihr zu gehorchen, mit Freuden
über eine scharfe Klinger springen würde.
Amor will mir gegenüber keinerlei Härte gebrauchen,
und darum, glaube ich, wird sie bald ein Einsehen mit mir haben.
Habt also Dank, danke, mein Fräulein,
für mein schweres Leiden und die tödliche Wunde,
die mir fast nicht mehr Kummer als Euch bereitet!
Mia benigna fortuna
Mia benigna fortuna e ’l viver lieto,
i chiari giorni e le tranquille notti
e i soavi sospiri e ’l dolce stile
che solea resonar in versi e’n rime,
volti subitamente in doglia e ’n pianto,
odiar vita mi fanno, e bramar morte.
.Crudele, acerba, inesorabil Morte,
cagion mi dài di mai non esser lieto,
ma di menar tutta mia vita in pianto,
e i giorni oscuri e le dogliose notti.
I miei gravi sospir‘ non vanno in rime
e ‘l mio duro martir vince ogni stile.
Mein gütiges Schicksal
Mein gütiges Schicksal und das fröhliche Leben,
die hellen Tage und die ruhigen Nächte,
und die lieblichen Seufzer und der süße Stil,
der immer in Versen und Reimen erklang:
plötzlich in Schmerz und Tränen umgeschlagen,
lassen sie mich das Leben hassen und den Tod herbeisehnen.
Grausamer, bitterer, unerbittlicher TOD,
Du gibst mir Anlass, nie froh zu sein,
sondern mein ganzes Leben in Tränen zu verbringen,
und die trüben Tage und die schmerzvollen Nächte.
Meine schweren Seufzer werden nicht zu Reimen,
und meine harte Qual besiegt jeden Stil.
Se ben il duol
Se ben il duol che per voi, donna, sento
non vi fò manifesto con la voce,
questo m’avien, perchè lasso pavento
la luce de’ begli occhi che mi noce.
Poi ne’ miei danni Amor è sì feroce
tal che per tener chiuso il mio tormento
Amor a doppio mi distrugge e coce.
Ben voi a più di mille e mille segni
conoscerlo potete e aita darmi,
quantunque taccia l’aspra doglia mia.
Però, non sendo più che Circe ria,
cedano l’ire alla pietà e gli sdegni,
e piacciavi di duol sì acerbo trarmi.
Obwohl der Schmerz
Obwohl der Schmerz, den ich Euretwegen, Herrin, empfinde,
Euch mit der Stimme nie kundgetan wurde,
geschieht mir das, denn betrübt fürchte ich
das Licht der schönen Augen, das mir schadet.
Zudem ist Amor zu meinem Unglück so grausam,
dass, um meine Qual verschlossen zu halten,
Amor mich zweifach zerstört und vor Liebe vergehen lässt.
Wohl könnt Ihr es an mehr als abertausend Zeichen
erkennen und mir Hilfe leisten,
obwohl ich meinen quälenden Schmerz verschweige.
Da jedoch Circe nicht mehr lacht,
möge aller Zorn und alle Verachtung dem Mitleid weichen,
und möge es Euch genehm sein, mich von so bitterem Schmerz zu befreien!
(Übersetzung: Edgar Sallager)
Sestina
Lagrime d’ amante al sepolcro dell’ amata (Scipione Agnelli)
I.
Incenerite spoglie, avara tomba,
fatta del mio bel sol, terreno, cielo.
Ahi lasso, i’ vegno ad inchinarvi in terra.
Con voi chius’ è ’l mio cor’ a marmi in seno,
e notte e giorno vive in pianto in foco,
in duolo, in ira il tormentato Glauco.
II.
Ditelo, o fiumi, e voi ch’ udiste Glauco
l’aria ferir di grida in su la tomba,
erme campagne; e ’l san le Ninfe e ’l cielo:
A me fu cibo il duol, bevanda il pianto,
letto, o sasso felice, il tuo bel seno,
poi ch’ il mio ben coprì gèlida terra.
III.
Darà la notte il sol lume alla terra,
splenderà Cintia il dì, prima che Glauco
di baciar, d’ honorar lasci quel seno
che nido fu d’ amor, che dura tomba
preme. Ne sol d’ alti sospir di pianto
pròdighe a lui saran le fere e ’l cielo.
IV.
Ma te raccoglie, o Ninfa, in grembo ’l cielo.
Io per te miro vedova la terra,
deserti i boschi e correr fiumi il pianto,
e Driade e Napee del mesto Glauco
ridicono i lamenti, e su la tomba
cantano i pregi de l’amato seno.
V.
O chiome d’or, neve gentil del seno,
o gigli de la man, ch’ invido il cielo
ne rapì quando chius’ è in cieca tomba,
chi vi nasconde? Ohimè! povera terra.
Il fior d’ogni bellezza, il sol di Glauco
nasconde? Ah muse, qui sgorgate il pianto.
VI.
Dunque, amate reliquie, un mar di pianto
non daran questi lumi al nobil seno
d’un freddo sasso? Ecco, l’afflitto Glauco
fa risonar «Corinna» il mar e ’l cielo.
Dicano i venti ogn’hor, dica la terra:
«Ahi Corinna, ahi morte, ahi tomba!»
Cedano al pianto i detti. Amato seno
a te dia pace il ciel, pace a te, Glauco,
prega honorata tomba e sacra terra.
Die Tränen des Liebenden am Grab der Geliebten
I.
Zu Asche mein Glück, meine Sonn’, meine Erde,
mein Himmel, grausames Grab! Weh mir, ich
komme, mich zur Erde zu neigen;
mit euch ist mein Herz zu Marmor geworden und
Tage und Nächte lebe ich, Glauco, in glühendem
Schmerz, in Qualen und Pein.
II.
Sagt es, ihr Flüsse, ihr Wüsten und Felder, die ihr
hört meine Klagen am Grab der Geliebten.
Die Nymphen, der Himmel, sie wissen:
Meine Speise war Schmerz und die Träne mein
Trank. Glücklich der Stein, dein Bett, da die eiskalte
Erde deinen schönen Leib bedeckt.
III.
Eher wird die Sonne des Nachts die Erde beschei-
nen und des Mondes Licht den Tag erhellen, eh’
Glauco davon lässt zu ehren, zu lieben,
die ein Hort der Liebe war und nun im finstern
Grabe ruht. Nicht er allein wird seufzen und kla-
gen, Erde und Himmel werden mit ihm weinen.
IV.
Aber du, Nymphe, ruhe im Schoße des Himmels.
Verwaist lässt du die Erde, und die Flüsse sind
Ströme von Tränen.
Driaden und Napeen wehklagen mit dir, o Glauco,
und singen am Grab das Lob der einzig Geliebten.
V.
Goldener Locken Fülle, deine schöne Gestalt,
Lilienhände, vom neidischen Schicksal geraubt,
verschlossen im dunklen Grab. Wer verbirgt euch?
Weh, arme Erde! O Musen! Fließt, ihr Tränen! Die
Blüte aller Schönheit, Glaucos Sonne im Grab verborgen?
VI.
Geliebte Seele, selbst ein Meer von Tränen kann
deinem edlen Leib unter kaltem Stein nicht das
Licht des Lebens zurückgeben.
Meer und Himmel hallen wider vom Ruf des zu
Tode betrübten Glauco: „Corinna!“ Und die Winde,
die Erde sollen sagen zu jeder Stunde: „Weh Corin-
na! Weh Tod! Weh Grab!“
Es weiche der Träne das Wort! Geliebtes Herz:
Gebe der Himmel dir Frieden. Frieden auch dir,
Glauco. Es werde dir ewige Ruh’ in heiliger Erde.
(Übersetzung: Fritz Oberst)